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Judentum

Kaddisch


Historisch lassen sich beim K. drei Phasen unterscheiden, in denen es jeweils zusätzliche Funktionen erfüllte und vom Inhalt sowie Umfang her auch entsprechende Änderungen erfuhr.
Das. K. wurde ursprünglich - wohl bereits vor der Zerstörung des zweiten *Tempels - als eine kurze feststehende Gebetsformel eingeführt, mit der die im Lande Israel von den jüdischen Gelehrten im Lehrhaus abgehaltenen volkstümlichen Vorträge abgeschlossen wurden. An solche *agadischen Vorträge, die meist mit dem Wunsch nach dem baldigen Kommen des messianischen Reiches endeten, pflegte man ein Gebet desselben Inhalts anzuschließen: das Kadisch. Dieses wurde der Verständlichkeit halber in der im Lande Israel damals üblichen Umgangssprache Aramäisch abgefasst (s. Tossafot zum Talmudtraktat Berachot 3a).
Die in Ihrer Anfrage erwähnte Formel "ba'agala uwisman kariw" ("schnell und in baldiger Zeit") ist ein Teil dieses ersten ursprünglichen Kaddisch, worauf die Gemeinde antwortete "amen, jehe schme raba meworach ..." ("Amen, Sein großer Name sei gesegnet …"), wie der *Talmud an zahlreichen Stellen bezeugt.
Wohl erst ab der Zeit der *Geonim, ab dem frühen MA, fand das K. auch im Gemeinschaftsgebet selbst Verwendung, wo es jeweils das Ende von zentralen, in sich abgeschlossenen Gebetspassagen bezeichnet. Der sich an die obere Passage anschließende hebräische Zusatz - "Jitbarach wejischtabach wejitpa'ar u.s.w." ("Gesegnet und gepriesen und verherrlicht …") - stammt wahrscheinlich aus dieser Zeit, da damals von den Juden kein Aramäisch mehr gesprochen wurde.
Schließlich ist in Deutschland in Folge der mit den Kreuzzügen einsetzenden Judenpogrome der Brauch aufgekommen (nachweisbar erst ab 1400), bei dem das K. seine heute in der ganzen jüdischen Welt bekannteste Verwendung findet: als Gebet der Trauernden für ihre Verstorbenen. Die Hiob 25,2 entlehnte hebräische Schlussformel des K., "osse schalom bimromaw …" ("der Frieden macht auf seinen Höhen …"), stammt wohl erst aus dieser Zeit. In ihr wird mit einem Hinweis auf die reibungslose Harmonie der Himmelskörper (vgl. *Raschi z. St., Talmudtraktat Rosch Haschana 23b u.a.m.) der Wunsch geäußert, dass Gott bald dieselbe Harmonie, Schalom (Frieden), auch auf Erden eintreten lassen möge.
Ihre Vermutung, dass der aramäische Teil liturgisch bedeutender bzw. für das K. spezifischer ist als der hebräische Schlusssatz, ist daher sowohl in historischer als auch in *halachischer Hinsicht richtig, da auch das jüdische Religionsgesetz dem älteren ersten (rein aramäischen) Teil des K., insbesondere der dem "ba'agala uwisman kariw" folgenden Antwort " amen, jehe schme raba meworach ...", die größte Bedeutung beimisst.

Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן