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Judentum

Sefirat haOmer


Die Zeitperiode der Omerzählung ("Sefirat Ha'Omer") erstreckt sich vom 16. Nissan, dem 2. Tag des *Pessach-Festes bis zum Wochenfest *Schawuot und dauert 49 Tage.
 
Quelle
Die Omer-Schneidung und-Schwingung
"Omer" ist ein biblisches Hohlmass, das zwischen zwei bis vier Liter umfasst. Im Frühling, am Ausgang des 1. Pessach-Tages zogen Gesandte des jüdischen Volkes hinaus in die Felder um Jerusalem und schnitten eine dem Omer-Mass equivalente Menge der neuen Gerstenernte ab (der Grund, dass ausgerechnet Gerstenfelder bestimmt wurden, liegt in der vorzeitigen Reife der Gerste im Vergleich zu anderen Getreidearten). Dann wurde diese Erstlingsernte gemahlen und am 16.Nissan als Omer-Gabe im Tempel zu Jerusalem Gott geweiht, wie es in der Tora formuliert ist:
Und der Ewige redete zu Mosche: Rede zu den Kindern Israels und sprich zu ihnen: So ihr in das Land kommt, das ich euch geben werde, und darin Ernte haltet, so bringt ein Omer von den Erstlingen eurer Ernte zu dem Priester. Und er schwinge das Omer vor dem Ewigen, dass es euch gnädig aufgenommen werde; den Tag nach der (Pessach-) Feier soll es der Priester schwingen... Und Brot und geröstete Körner und frische Ähren sollt ihr nicht essen bis zu eben diesem Tage...; eine ewige Satzung für eure Generationen in all euren Wohnsitzen" (Leviticus 23, 9-14).
Von dieser Quelle lernen wir auch, dass bis zum symbolischen Akt des Omer-Schwingens im heiligen Tempel nicht von der neuen Ernte gegessen werden durfte. Erst das "Omer" erlaubte dem Volk den Genuss des neuen Getreides.

 
Was hat diese Prozedur für eine Bedeutung?
Die Erklärung liegt auf der Hand: Der Mensch bearbeitet sein Feld das ganze Jahr, er pflügt, sät, wässert es…... wenn nun schliesslich die Ernte reif ist und der Mensch seine Sichel bereitstellt, um "seine" Ernte heimzubringen, so besteht die reelle Möglichkeit, dass sich der Mensch in seinem Herzen denkt: "Meine Kraft und die Stärke meiner Hand hat mir all dies Vermögen geschafft." (Deuteronomium 8,17)
Um dem entgegenzuwirken, hat er zuallererst die Verpflichtung, den ersten Schnitt des neuen Getreides dem wahren Eigentümer des Feldes, dem Schöpfer der Welt, zu weihen.
Die symbolische Zeremonie des Schneiden des "Omers" und dessen Schwingung kann nach der *Zerstörung des Tempels nicht mehr ausgeführt werden, wohl aber erhielt sich das Datum des 16. Nissan bis in die jetzige Zeit in seiner massgebenden Bedeutung: Noch heute essen viele religiöse Juden kein frisches Getreide vor dem 16. Nissan des neuen Jahres.

Die Omer-Zählung
Mit dem 16. Nissan beginnt auch die siebenwöchige Periode des Omer-Zählens, wie es heisst: "Und ihr sollt zählen vom Tage nach der (Pessach-)Feier an, von dem Tage, da ihr gebracht habt das Omer der Schwingung, dass es sieben volle Wochen seien. Bis zum Tag nach der siebenten Woche sollt ihr fünfzig Tage zählen..." (Leviticus 23, 15-16)
Der fünfzigste Tag ist das *Schawuot-Fest, womit die Omer-Zählung eine Brücke zwischen *Pessch und Schawuot darstellt.
Das Zählen der Omer-Tage ist nicht an die Existenz des jüdischen Tempels gebunden, somit hat es auch heute verpflichtende Wirkung. Man zählt jede Nacht nach dem Sichtbarwerden der Sterne mit einem Segensspruch den spezifischen Omer-Tag
(z.B. am 20. Nissan: "Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, ...der uns befohlen, das Omer zu zählen... Heute sind es fünf Tage des Omer."), bis man zum 50. Tag, dem Schawuot-Fest, angelangt ist.

Erklärungen Zur Omer-Zählung
Rabbi David Abudraham (14. Jahrhundert, Sevilla/Spanien) einer der grossen Gebets-Kommentatoren, sieht das Motiv für das Zählen des Omers eher in landwirtschaftlich-sozialer Richtung: Die Tage zwischen Pessach und Schawuot fallen in die Hochsaison der Landwirtschaft, in die Erntezeit. Durch die andauernde Beschäftigung auf und mit dem Felde könnte das Datum des eingehenden Schawuot-Festes vergessen werden! Darin liege der Grund des Gebots, jeden Tag von Pessach bis Schawuot "das Omer zu zählen", damit alle das genaue Datum des Wochenfestes kennen und somit auch die Wallfahrt zum Tempel mit den Erstlingsfrüchten zum richtigen Zeitpunkt angehen können [Gebetskommentar "Sefer Abudraham", S. 241].
Der anonyme Verfasser des Sefer ha Chinuch (Ende 13. Jahrhundert, Barcelona/Spanien) begründet das Gebot der Omer-Zählung weniger in praktisch-agrikulturellem, sondern vielmehr in ideell-symbolischem Licht: Pessach versinnbildliche die physische Freiheit des jüdischen Volkes. Doch mit der Befreiung aus der Sklavenschaft Ägyptens sei es nicht allein getan, habe die physische Selbstbestimmung doch nur einen Sinn, wenn sie auch zur geistigen Freiheit führt. Diese wiederum ist am Schawuot gewährleistet, an welchem das jüdische Volk bei der Offenbarung am Berge Sinai mit Gott den Bund durch die Tora schloss. Somit sei Sinn und Zweck der täglichen Omer-Zählung, den Übergang von der physischen Freiheit (Pessach) zur geistigen Freiheit (Schawuot) täglich zu verinnerlichen, hat doch das erste ohne das zweite keine wirkliche Berechtigung [Sefer haChinnuch: Gebot 306].
Rabbiner Josef Zwi Carlebach (1883-1942, letzter Oberrabbiner von Hamburg und Altona) setzt in einem persönlichen Brief an seine Kinder bei der vorigen Erklärung an und entwickelt diese in erzieherisch-pädagogischer Richtung:
"Ein Junge fragte mich, warum heisst das Fest gerade Wochenfest. Die 7 Wochen sind doch eigentlich ein Nebenumstand. Warum hat die Tora dennoch diesen Namen erwählt, um gerade die 7 Wochen zu betonen? Ich erwiderte: Es gehört zu den Wundern von Erez (= das Land Israel), dass die Reifezeit, von der Gerstenreife zur Weizenreife, von Awiw zu Bikkurim, gerade 7 Wochen dauert. Die Naturregelmässigkeit, die absolute Ordnung und göttliche Fürsorge für die Natur zeigt sich darin; aber so soll es auch in der geistigen Leistung des Menschen sein, er kann in fester Zeit, in 7 Wochen reif werden zur Tora [7 Wochen vom Auszug von Ägypten bis zur Offenbarung am Sinai-Berg]. Nicht in unendlicher Ferne darf das jüdische Ziel gerückt werden, sondern in greifbarer Nähe. Und wenn wir wollen, können wir und unsere Kinder in fester Zeit das höchste Ziel erringen… Setzt Euch in Tora ein festes Ziel in fester Zeit und werdet so gewiss reif und vollendet, wie die Pflanze in der Pflege des Gärtners."(Brief vom 23. Mai 1939, in M.Gillis-Carlebach, Jedes Kind ist mein Einziges.1992, S. 360)

Die Omer-Periode Als Trauerzeit
Über die Omer-Zeit- oder zumindest über einen Teil von ihr- hängt ein Schatten der Trauer. So führt man z.B. keine Hochzeiten durch und lässt sich als Ausdruck der Trauer nicht die Haare schneiden. Der traditionelle Grund dafür liegt in folgender talmudischer Überlieferung:
"Man erzählt, dass Rabbi Akiwa[grosser Tanna {*Mischna-Lehrer}, geb. um 50, Märtyrertod durch die Römer 135] zwölftausend Schülerpaare hatte,... und alle starben sie in einer Zeitperiode... Es wird gelehrt: Alle starben sie zwischen dem Pessachfeste und dem Wochenfeste." (Babylonischer Talmud, Traktat Jebamoth 62b)
Was war der Grund für dieses tragische, unfassbare Massensterben? Der Talmud gibt an gleicher Stelle die Antwort: "Weil sie einander keine Ehrung erwiesen." (ibid.)
Rabbi Menachem ben Schlomo Me'iri (1249-1306, Provence) fügt in seinem Talmudkommentar "Beth HaBechira" hinzu, dass gemäss einer Überlieferung der *Ge'onim das Sterben der Schüler Rabbi Akiwas am 33. Tag des Omer aufhörte. Dementsprechend endet heute in den meisten jüdischen Gemeinden, speziell in Israel und in den *sefardischen Gemeinden, die Trauerperiode am 33. Omer-Tag (18. Ijar, im Jahr 2000 am 23. Mai). Dieser Tag hat aus verschieden Gründen feierlichen Charakter (siehe hierzu *Lag ba'Omer). Danach werden wieder Hochzeiten gefeiert etc.
Es gibt jedoch auch eine andere Auffassung der Trauertage während der Omer-Zählung, sowohl bezüglich der Trauer-Zeit als auch bezüglich des Trauer-Motivs: In den meisten *aschkenasischen Gemeinden ist es der Brauch, die 33 Trauertage nicht von Beginn der Omerzeit am 16. Nissan (im Jahr 2000 am 21. April) zu begehen, sondern vom Beginn des Monats *Ijar (im Jahr 2000 am 5. Mai) bis zum Wochenfest Schawuot (6. Siwan; im Jahr 2000 am 9. Juni), d.h. rund zwei Wochen später. Obwohl es Erklärungen gibt, die diesen Brauch als "Mutation" des ursprünglichen Trauer-Motivs, des Sterbens der 24,000 Schüler Rabbi Akiwas, mit zusätzlicher Verschiebung der 33-tägigen Trauerzeit betrachten, scheint dieser Brauch doch eine völlig andere Basis zu haben (s. Daniel Sperber: 'Minhagej Jisrael', 1. Band, S. 98-111, Jerusalem 1990).
Der hiesige Brauch nämlich betrauert nicht das Sterben der 12‘000 Schülerpaare Rabbi Akiwas zu Beginn des 2. Jahrhunderts, sondern ein Ereignis, dem rund tausend Jahre später 12‘000 jüdische Menschen vor allem in der Rheingegend zum Opfer fielen: der 1. Kreuzzug (1096-1099).
"Die unter dem Namen 'Kreuzzüge' bekannte religiöse und soziale Bewegung am Ausgang des 11. und während des ganzen 12. Jahrhunderts, hervorgerufen durch die Konzilbeschlüsse von Piacenza und Clermont (1095), die die Rückoberung Palästinas aus den Händen der 'Ungläubigen' seitens der Christenheit zum Hauptziele hatte, erhielt eine traurige Bedeutung für die jüdische Geschichte... Bald tauchte in den raublustigen Begleitern der eigentlichen Kreuzfahrer der nur allzu willkommene Gedanke auf, dass man mit dem Kampf gegen die Ungläubigen bereits im eigenen Lande beginnen müsse. So wurden die Juden in Frankreich, Lothringen und am mittlleren Rhein, bald auch die in Böhmen und später in England, die ersten Opfer der Kreuzzüge. Die Zeit der Kreuzzüge wurde, vom Zusammenströmen der ersten Kreuzfahrer an (1096) für die Juden in Frankreich und Lothringen, ganz besonders aber in West- und Südwestdeutschland, eine Periode furchtbarer Verfolgungen, in deren Verlauf Metzeleien von barbarischer Grausamkeit ein Jahrhundert lang in rascher Folge, Gemeinde um Gemeinde vernichteten und Tausende von Juden, die es ablehnten, die von den Kreuzfahrern verlangte Taufe zu nehmen, durch Mord oder Selbstmord ihr Leben liessen... Insgesamt fielen diesem [...] Morden damals mehr als 12,000 Juden zum Opfer. Die ältesten und bedeutendsten jüdischen Gemeinden Deutschlands und Böhmens, die Zentren der jüdischen Wissenschaft, waren zerstört. Aber auch das geordnete Heer der Kreuzfahrer ging mit den Juden nicht glimpflicher um. Als die Kreuzfahrer in Palästina ankamen, wurden in Jerusalem die Juden zu Tausenden getötet" (Jüdisches Lexikon, Band III, Sp. 894, Berlin 1929).
Nicht nur fiel die dunkle Nacht des 1. Kreuzzuges genau in die Omerzeit, es existieren sogar genaue Zerstörungs-Daten einzelner Gemeinden. So wurde die jüdische Gemeinde von Speyer am 3. Mai 1096 (8. Ijar) von den Scharen der Kreuzfahrer heimgesucht, kurz nachdem die jüdische Gemeinde von Trier gänzlich unterging. Am 18. Mai (23. Ijar) gelangten die Kreuzfahrer nach Worms, wo die Juden den Tod durch eigene Hand der Taufe vorzugen. Am 26. Mai (3. Sivan) setzten die Kreuzfahrer ihren blutigen Zug in Mainz fort. Auch deren Eindringen in Köln ist datiert, mit dem 30. Mai 1096 (6. Sivan). So lässt sich feststellen, dass sich der Schwerpunkt der Zerstörung der jüdischen Gemeinden in der Rheingegend vom Beginn des Monats Ijar bis hin zum Wochenfest (6. Sivan) erstreckte. Deshalb umfasst in vielen aschkenasischen Gemeinden die Trauerperiode während der Omerzeit diese bitteren Tage, und somit wich die Trauer über das Sterben der Schüler Rabbi Akiwas dem Entsetzen über aktuellere Tragödien.
Hiermit lassen sich zwei verschiedene Bräuche bezüglich des Trauerns während der Sefirat Ha'Omer konstatieren, die beide grundsätzlich 33 Tage dauern:
  1. Die meistverbreitete und vor allem in Israel und in sefardischen Gemeinden gängige Trauerperiode reicht vom 2. Tag Pessach (16. Nissan) bis zu Lag Ba'omer (33. Omertag- 18. Ijar) und beweint das Sterben der 12,000 Schülerpaare Rabbi Akiwas;
  2. Die weniger verbreitete und vor allem in aschkenasischen Gemeinden bekannte Trauerzeit fusst in der Zerstörung der jüdischen Gemeindezentren Europas während des 1. Kreuzzuges und erstreckt sich vom Beginn des Monats Ijar bis zum Wochenfeste Schawuot.
Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן