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Judentum

Jom Jeruschalajim


Jom Jeruschalajim (Jerusalem-Tag) - vom Abriss zum Aufbau
Am 7. Juni 1967 (28. Ijar 5727), im Laufe des Sechs-Tage-Krieges, gelang es den israelischen Streitkräften, den Tempelberg Jerusalems - nach fast 2000-jähriger Trennung vom jüdischen Volk - zurückzuerobern und die Stadt zu vereinigen. Seit diesem Tag wird der 28. Ijar in Israel - und insbesondere natürlich in Jerusalem - als freudiger “Jerusalem-Tag” gefeiert (im Jahre 2004 am 19. Mai). Spezielle Gebete mit Lobgesängen werden in die tägliche Liturgie eingeschaltet und Tausende spazieren mit Fahnen bestückt in die Jerusalemer Altstadt an die Klagemauer.

Worin liegt der Zauber Jerusalems? Was ist das Geheimnis dieser Stadt? Wir werden im Laufe unserer Ausführungen versuchen, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Zuerst jedoch wollen wir uns einen historisch-biblischen Überblick verschaffen.
 
Die ersten Hinweise in der Tora auf Jerusalem gehen auf den Patriarchen Abraham zurück. Zuerst verspricht ihm Gott ein noch unbestimmtes Land:

"Und Gott sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und aus deinem Geburtsort und aus deines Vaters Hause in ein Land, das Ich dir zeigen will. Und Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden" (Genesis 12, 1-3).
Zwei Kapitel später lässt sich die erste wörtliche Erwähnung Jerusalems konstatieren:
"Als er [Abraham] nun zurückkam von dem Sieg über Kedorlaomer und die Könige mit ihm, ging ihm entgegen der König von Sodom in das Tal Schawe, das ist das Königstal. Aber Malkizedek, der König von Schalem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat." (Genesis 14, 17-20)
Es ist anzunehmen, dass Malkizedek, Herrscher "Schalems", ein König "Ur-Jerusalems" war. Darauf wird auch in einem späteren Psalm hingewiesen:

"Ein Psalmlied Asafs, vorzusingen, beim Saitenspiel. Gott ist in Juda bekannt, in Israel ist Sein Name herrlich. So erstand in Salem Sein Zelt und Seine Wohnung in Zion" (Psalmen 76, 1-3).
Rabbi David Kimchi (1160-1235) kommentiert hierzu, dass die damaligen Könige Jerusalems Malkizedek oder Adonizedek hiessen, denn Jerusalem ist der Ort der Gerechtigkeit ("Zedek") und des Friedens ("Schalem - Schalom").
Einige Jahre später, bei der Bindung Isaaks, schickt Gott Abraham erneut auf eine -die schwierigste - Reise, deren Ziel zunächst wiederum unklar ist:
"Nach diesen Begebenheiten prüfte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebhast, den Isaak, und geh hin in das Land Morija und bringe ihn dort zum Opfer auf einem Berge, den Ich dir sagen werde. Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Opfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, den ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von fern..."
Nachdem Gott den Abraham von der Opferung abhält, gibt Abraham dem mysteriösen Ort einen Namen:
"Und Abraham nannte die Stätte 'Gott wird sehen' (Haschem Jir`e). Daher sagt man noch heute: Auf dem Berge Gottes wird man gesehen" (Genesis, 22; 1-4, 14).
Nach der jüdischen Überlieferung ist der Berg im Lande Morija, auf welchem sich die Bindung Isaaks zutrug, der Tempelberg Jerusalems. Im Talmud wird der Ausdruck "Morija" auf zweierlei Arten interpretiert: Ort der Lehre (von &Hora'ah") und Ort der Furcht (von "Mora"). Es lassen sich also bis anhin fünf Grundgedanken herauskristallisieren, die in der "Idee Jerusalems" beinhaltet sind:
  1. Ein Ort des Friedens;
  2. ein Ort der Gerechtigkeit;
  3. ein Ort, aus welchem die Lehre in die Welt getragen wird;
  4. ein Ort der Furcht oder Ehrfurcht;
  5. ein Ort, wo man "Gott sieht", ein Ort der Begegung mit dem Göttlichen.
Wir haben zwar keine bestimmten Zeugnisse bezüglich des Ursprungs des Wortes Jerusalem, wie auch der Mehrheit der biblischen Ortsnamen, jedoch können wir annehmen, dass sich die Namensgebung einer Stadt in der Bibel gewöhnlich dem ursprünglichen semitischen Wortlaut anpasste. Der später festgesetzte Name "Jerusalem" ist somit eine Verbindung von "Jeru" (=sehen) und "Salem" (= Friede, Vollkommenheit), in anderen Worten: Die Stadt, in der man die Vollkommenheit sieht. Die Bedeutung dieses Namens ist auch im Lichte der Tatsache zu verstehen, dass sich in Jerusalem der Tempel und somit die "göttliche Wohnstätte" auf Erden befindet. Die drei Wallfahrtsfeste Pessach, Schawuot und Sukkot bilden somit den Rahmen eines direkten Aufeinandertreffens des Menschen mit seinem Schöpfer, in Jerusalem, wie es heisst: "Dreimal im Jahr sollen erscheinen all deine Männlichen vor dem Angesichte Gottes" (Exodus 23, 17).
Nach der rabbinischen Überlieferung hat Gott alle Städte geprüft, aber nur Jerusalem für geeignet befunden, die Stätte des Tempels zu werden (Midrasch Wajikra Rabba 13, 2). Moses sehnte sich nach dieser heiligen Stadt, obwohl - oder weil - es ihm nicht vergönnt ist, sie zu seinen Lebzeiten zu sehen:
"Du brachtest sie [das jüdische Volk] hinein und pflanztest sie ein auf dem Berge Deines Erbteils, den Du, Gott, Dir zur Wohnung gemacht hast, zu Deinem Heiligtum, Gott, das Deine Hand bereitet hat" (Exodus 15, 17).
Vor dem Einzug der Israeliten in das Gelobte Land, gebietet ihnen Moses, Jerusalem zum geistigen Zentrum des jüdischen Volkes zu machen:
"Ihr werdet aber über den Jordan gehen und in dem Lande wohnen, das euch Gott zum Erbe austeilen wird, und er wird euch Ruhe geben vor allen euren Feinden um euch her, und ihr werdet sicher wohnen. Wenn nun dein Gott eine Stätte erwählt, daß sein Name daselbst wohne, sollt ihr dahin bringen alles, was ich euch gebiete: eure Brandopfer, eure Schlachtopfer, eure Zehnten, eure heiligen Abgaben und alle eure auserlesenen Gelübdeopfer, die ihr Gott geloben werdet. Und ihr sollt fröhlich sein vor eurem Gott, ihr und eure Söhne und eure Töchter, eure Knechte und eure Mägde und die Leviten, die in euren Städten wohnen..." (Deuteronomium 12, 10-12).
Nach der rabbinischen Überlieferung hat Gott alle Städte geprüft, aber nur Jerusalem für geeignet befunden, die Stätte des Tempels zu werden (Midrasch Wajikra Rabba 13, 2). Moses sehnte sich nach dieser heiligen Stadt, obwohl - oder weil - es ihm nicht vergönnt ist, sie zu seinen Lebzeiten zu sehen:
"Du brachtest sie [das jüdische Volk] hinein und pflanztest sie ein auf dem Berge Deines Erbteils, den Du, Gott, Dir zur Wohnung gemacht hast, zu Deinem Heiligtum, Gott, das Deine Hand bereitet hat" (Exodus 15, 17).
Vor dem Einzug der Israeliten in das Gelobte Land, gebietet ihnen Moses, Jerusalem zum geistigen Zentrum des jüdischen Volkes zu machen: Bei der Landeseroberung unter Josua konnte jedoch gerade Jerusalem, dessen feindlich gesinnter König Adonizedek war (s. Josua 10), nicht eingenommen werden: "Die Jebusiter aber wohnten in Jerusalem, und Juda konnte sie nicht vertreiben" (Josua 15, 63).

Es ist nicht klar, weshalb Jerusalem, dessen Festung Jebus auf der Grenze der streitenden Stämme Juda und Joseph lag, nicht erobert werden konnte. Es mag sein, dass die Festung Jebus schlicht zu mächtig war, und die Söhne Judas nicht genug Kraft hatten, sie einzunehmen. Nach einer anderen Erklärung wurde die Stadt bewusst nicht erobert, da der schriftliche Vertrag zwischen Abraham und Abimelech zu Josuas Zeit noch Wirkung hatte (s. Genesis 21, 23, und R` David Kimchi zu Josua 16, 61).

Mit dem Prophetenbuch Samuel beginnt die spannende Vorgeschichte der Könige. Die Eroberung Jerusalems um das Jahr 1000 v.d.Z. wurde zum Zeugnis und zur Stütze der Macht Davids, des ersten Königs des vereinigten Königreiches Israel.
"Dreißig Jahre war David alt, als er König wurde, und er regierte vierzig Jahre. Zu Hebron regierte er sieben Jahre und sechs Monate über Juda, und zu Jerusalem regierte er dreiunddreißig Jahre über ganz Israel und Juda. Und der König zog mit seinen Männern vor Jerusalem gegen die Jebusiter, die im Lande wohnten. Sie aber sprachen zu David: Du wirst nicht hier hereinkommen, sondern Blinde und Lahme werden dich abwehren. Damit meinten sie, daß David nicht dort hineinkommen könnte. David aber eroberte die Burg Zion; das ist Davids Stadt... So wohnte David auf der Burg und nannte sie «Stadt Davids». Und David baute ringsumher, vom Millo an, nach innen zu. Und Davids Macht nahm immer mehr zu, und der Gott der Heerscharen war mit ihm" (II Samuel 5, 4-10).
Der westliche Berg in der Nähe Jerusalems hiess ursprünglich Zion (wahrscheinlich vom hebräischen "Zija", Wüste) und nach der Eroberung - "David-Stadt". Später nennt man Zion den Tempelberg (I Macc. 4, 60), und noch zur Zeit der ersten Vertreibung nach Babylonien wird Zion Synonym Jerusalems und des ganzen Heiligen Landes.

Die Epoche König Davids war von der Machtergreifung sowie von äusseren und inneren Kämpfen geprägt. Erst zur Zeit Salomo, Davids Sohnes und Nachfolgers, "wohnte Juda und Israel ruhig, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, von Dan bis Beer Sheba, alle Tage Salomos" (I Könige 5, 5).
Mit der Epoche Salomos beginnt die eigentliche Zivilgeschichte Jerusalems: die Zeit der Zentralverwaltung, des Stadtbaus, der Wasser- und Nahrungsversorgung, des Handels und Verkehrs, und nicht zuletzt - des Tempelbaus und des regulären Gottesdienstes. Die wichtigste Baueinrichtung Salomos in Jerusalem war der Heilige Tempel (Bet Ha-Mikdasch). Damit wurde, nach Gottes Willen, das Vermächtnis seines Vaters David erfüllt. Wir finden sogar ein genaues Datum des Bauanfangs:
"„Und es geschah im Jahre 480 nach dem Auszug der Kinder Israel aus dem Lande Ägypten, im 4. Jahre im Monat Siw - das ist der 2. Monat - der Regierung Salomos über Israel, da baute er das Haus dem Ewigen" (I Könige 6, 1).
Weiter folgt eine genaue Beschreibung der inneren und äusseren Architektur des Tempels und der verwendeten Baumittel, die aus verschiedenen Landgebieten, auch aus dem Libanon, aufgrund eines Handelsvertrags Salomos mit dem König Chiram, importiert wurden.
"Und im 11. Jahre, im Monat Bul, das ist der 8. Monat, war das Haus fertig in all seinen Stücken und nach all seinen Vorschriften; also baute er daran 7 Jahre" (1 Könige 6, 38).
Endlich ist Jerusalem seiner Berufung gerecht geworden, nämlich das geistige und nationale Zentrum des jüdischen Volkes zu sein. Durch den wunderschönen 122. Psalm Davids lässt sich die national-spirituelle Bedeutung Jerusalems miterleben:
"Ein Stufenlied, von David. Ich freue mich mit denen, die mir sagen: Lasst uns ziehen zum Hause Gottes! Es standen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem. Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll, wohin die Stämme hinaufzogen, die Stämme Gottes, ein Zeugnis für Israel, zu danken dem Namen Gottes. Denn dort sassen sie auf Thronen zu Gericht, den Thronen des Hauses David. Erkundigt euch nach dem Wohle Jerusalems! Wohl gehe es denen, die dich lieben! Es möge Friede sein in deinen Mauern und Sicherheit in deinen Palästen! Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen. Um des Hauses des Ewigen, unseres Gottes willen, lass mich Gutes erbitten für dich."
Hier kommt die Bedeutung Jerusalems als Quelle und Ziel der Gebete und Hoffnungen eines jeden Juden zum Ausdruck. Die Wiedervereinigung Jerusalems und die Heimkehr an dessen heilige historische Stätte im Jahre 1967 erweckte in jüdischen Menschen das unerloschene Gefühl der Sehnsucht. Eine alte Überlieferung besagt, dass Jerusalem nicht eher aufgebaut werden wird, als bis das zerstreute Israel aus allen Ländern wieder dort vereint sein würde (Midrasch Tanchuma Bereschit IX). Im Lichte der wunderhaften Heimkehr des jüdischen Volkes im Laufe des letzten Jahrhunderts erhält diese Überlieferung zusätzliches Gehalt.
Im Psalm 137, der Klage der Gefangenen zu Babel, wohin Israel nach der Zerstörung des Tempels und Jerusalems 586 v.d.Z. durch Nebuchadnezar weggeschleppt wurde, kommt die Sehnsucht nach Zion auf besonders emotionale Weise zum Ausdruck:
"An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: «Singet uns ein Lied von Zion!» Wie könnten wir das Lied Gottes singen in fremdem Lande? Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein. Gott, vergiß den Söhnen Edom nicht, was sie sagten am Tage Jerusalems: «Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund!»..."
Auffallenderweise ist dies die einzige Stelle in der Bibel, in welcher von einem "Jerusalem-Tag" die Rede ist. Insofern hat der moderne "Jerusalem-Tag" zusätzliche Wichtigkeit erlangt, wurde doch dieser Begriff endlich aus seinem urprünglich negativen Zusammenhang gerissen und durch einen neuen, erfrischend hoffnungsvollen Inhalt bereichert. Diese Metamorphose mag auch die lange Reise Jerusalems versinnbildlichen - vom Abriss zum Aufbau.
Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן