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Judentum

Kabbala


(Wörtl. Annahme, Erhalt)
  1. Ursprünglich allgemeine Bezeichnung für jüdische Überlieferung. Am Begriff K., Annahme, läßt sich die so charakteristische Spannung zwischen Philosophie und Überlieferung veranschaulichen. Während nämlich die Philosophie von ihrem Wesen her autonom ist, d.h. ganz und gar auf der immer und überall nachvollziehbaren, unabhängigen menschlichen Denkkraft beruht, ist Überlieferung per definitionem heteronom: Ihre Inhalte präsentieren sich uns als gegebene Fakten, die man als solche erhalten, annehmen und weitergeben soll. Dies gilt umsomehr, wenn sich die Überlieferung auf eine ihr zugrundeliegende göttliche Offenbarung beruft.
    Die komplexe Beziehung zwischen Überlieferung und menschlicher Vernunft, die ja ebenfalls als Gottes Gnadengeschenk an den Menschen betrachtet wird, bildet im übrigen das Hauptthema der jüdischen Philosophie.

  2. Seit dem späteren Mittelalter bezeichnet K. die mystische jüdische Lehre von den Geheimnissen der *Tora. Daß es eine solche Lehre schon zu biblischen Zeiten gab, lassen bereits manche Erzählungen und Wendungen in der Bibel vermuten. Die *Mischna nimmt explizit auf eine geheime Lehre Bezug, die nur an Auserwählte weitergegeben werden soll (Chagiga 2,1), und die *talmudische Erzählung (*Agada) weiß von einer Welt der mystischen Schau zu berichten, deren Betreten jedoch mit Gefahren für Leib und Seele verbunden ist (Chagiga 14b).

Die den verschiedenen kabbalistischen Systemen gemeinsame eigentümliche Gedankenwelt stützt sich auf eine Mikro- und Makrokosmos vereinigende Weltsicht.

Die Grundstruktur des kabbalistischen Weltbildes, die zehn sog. *Sefirot (Potenzen), die als die hinter der sichtbaren Realität wirkenden göttlichen Wirkungskräfte aufgefaßt werden, wird schon im "Sefer Jezira" vorgestellt, einem kabbalistischen Grundwerk, das die jüdische Tradition einmal Abraham, einmal *Rabbi Akiwa zuschreibt. Die letztere Autorenschaft kommt der von den meisten Forschern vertretenen Datierung dieses Buches in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte nahe. Das Hauptwerk der K., das Buch Sohar (wörtl. "Glanz"), taucht nachweisbar erst gegen Ende des 13. Jh. in Spanien auf. Wenn auch von vielen Forschern die Redaktion dieses Werkes einem Moses de Leon (etwa 1250-1305) aus Spanien zugeschrieben wird, enthält der Sohar zweifelsohne schon ältere Elemente. Die jüdische Tradition schreibt seine Verfassung dem *Tannaiten Rabbi Schimon Bar Jochai (2. Jh.) zu. Besonders zu erwähnen ist die K. des Rabbi Moses Cordovero (1522-1570) aus Zefat, der es verstand, die kabbalistische Lehre zu systematisieren. Einen noch größeren Einfluß auf die kommenden Generationen sollte indes die von seinem Schüler Rabbi Isaak Luria (Jerusalem 1534-1572 Zefat) gelehrte und nach ihm benannte lurianische K. ausüben.

Man unterscheidet ferner zwischen theoretischer und praktischer K. Erstere begnügt sich mit einer Einsichtnahme in eine der äußeren Welt zugrundeliegende innere Daseinsstruktur, während die letztere bestrebt ist, auf diese auch Einfluß zu nehmen. Eine Breitenwirkung entwickelte die K. mit dem Aufkommen des *Chassidismus, der ihre Grundsätze zu popularisieren verstand. Die K. fand auch massiven Eingang in die jüdische Liturgie.

Im Zuge der Aufklärung wurde die K. im 18. und 19. Jahrhundert als Aberglaube angegriffen. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde - vor allem durch die wissenschaftlichen Pionierarbeiten Gershom Scholems (Berlin 1897-1982 Jerusalem) - der ernsthafte Versuch unternommen, den Stellenwert der K. im Judentum und ihren Beitrag zum jüdischen Geistesleben zu erforschen und zu würdigen.
Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן