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Judentum

Sukkot & Schemini Azeret


Quelle

 "Sukkot" heißt "Hütten". Es bezieht seinen Namen von dem zentralen Gebot dieses Festes - dem Gebot "in Hütten zu wohnen": "... Am fünfzehnten Tage dieses siebten Monats ist das Fest der Hütten (Sukkot), sieben Tage Gott geweiht ... und am achten Tage soll euch heilige Berufung sein ... ein Abschlussfest, ihr sollt keine *Werktätigkeit verrichten ... In Hütten sollt ihr sieben Tage wohnen ... damit eure Nachkommen wissen, dass Ich die Kinder Israel in Hütten wohnen ließ, als Ich sie aus dem Lande Ägypten herausführte ..." (Lev. 23,34-43).

 
 
Die Bedeutung des Festes
 
 
Das Fest der Freude
Sukkot ist das letzte der drei über das Jahr verteilten *Wallfahrtsfeste und beschließt gleichzeitig auch die Feste des Monats Tischri (*Rosch Haschana, *Jom Kippur, Sukkot). Die *Tora trägt diesem zweifachem Bezug Rechnung, indem sie Sukkot einmal im Rahmen der Wallfahrtsfeste (Dt. 16,1-17) und einmal im Rahmen der Tischri-Feste (Lev. 23,23-44) aufzählt. Mit den ersteren hat Sukkot den allen drei Wallfahrtsfesten eigenen historisch-landwirtschaftlichen Doppelcharakter gemeinsam. Mit den letzteren ist es zunächst durch die schlichte zeitliche Nähe verbunden: es beginnt nur vier Tage nach Jom Kippur und fällt somit ebenfalls in den Festmonat Tischri. In beiden Festkzyklen stellt sich Sukkot als der sie krönende Abschluss dar. Diese für das Sukkotfest mithin charakteristische Funktion als Abschlussfest kommt in der ihm von der Tora zugesprochenen Hauptstimmung zum Ausdruck: der Freude.
Wenngleich alle drei Wallfahrtsfeste den Stempel freudiger Volksfeste tragen, hebt die Tora den Freudencharakter von Sukkot ganz besonders hervor: “... Am fünfzehnten Tage dieses siebten Monats i st das Fest der Hütten ... und ihr sollt euch freuen vor dem Ewigen, eurem Gott, sieben Tage” ( Lev. 23,34-40). “Das Fest der Hütten sollst du machen sieben Tage lang ... und du sollst dich f reuen an deinem Fest, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der *Levite und der Fremdling und die Waise und die Witwe ...” (Dt. 16,13-14). Und so wird Sukkot in den G ebetbüchern auch als “Das Fest der Hütten, die Zeit unserer Freude” bezeichnet. Freude ist so mit das Hauptmotiv des Hüttenfestes, und dies mag auch der Grund sein, warum Sukkot im *Talmud oftmals schlicht als “das Fest” " ("Chag") angesprochen wird.

Die Tatsache, dass dieses freudigste aller Feste gerade auf die Hohen Feiertage folgt, die im Hebräischen eigentlich “Furcht gebietende Tage” (“Jamim Nora'im”) heißen, ist von einiger Bede utung: Gottesfurcht und Freude sind nicht als Gegensätze aufzufassen, sie sollen einander vielmehr ergänzen. Diesen Gedanken finden wir schon in den Psalmen formuliert: “Dienet dem Ewigen in Furcht u nd freut euch im Zittern” (Psalmen 2,11). Gerade das Zittern vor Gottes Gericht, das für die Tage z wischen Rosch Haschana und Jom Kippur so bezeichnend ist, soll den Menschen schließlich für die wahre, reine Freude des nachfolgenden Sukkotfestes empfänglich machen. Dem mittelalterlichen Religionsphilosophen Rabbi Jehuda *Halevi (1080-1141) galt Freude neben Gottesfurcht und Liebe als eine von drei Seelenverfassungen, die die von jedem Juden anzustrebende ideale religiös-seelische Harmonie herstellen. Wenn eine von ihnen zu stark zu Lasten der anderen ausgeprägt ist, so gerät die Seele aus dem Gleichgewicht: “Die Zerknirschung, mit der du Gott an Fasttagen begegnest, s oll nicht größer sein als die Freude, mit der du dich Ihm am *Schabbat und an Feiertagen zu nähern suchst" (Buch Kusari 2,50).
Die in den “Furcht gebietenden Tagen” im Hinblick auf das unbestechliche und allwissende Gottesgericht vo rherrschende seelische Anspannung trägt nun, an Sukkot, die Früchte der Freude, welcher nur der entsühnte Mensch teilhaftig werden kann. Nur nach Jom Kippur kann daher Sukkot gefeiert werden (Carlebach 1934). Der landwirtschaftliche Charakter des Sukkotfestes als des “Festes des Einsammelns” (E x. 34,22) findet hierin sein geistig-religiöses Spiegelbild. Denn Freude - “das große Elixier d es Lebens ... eine Großmacht der Seele” (Carlebach 1934) - ist nicht nur die köstlichste, s ondern letztlich wohl auch die reifste Frucht der jüdischen Religion. Nur dort wo Freude ist, weilt nach einem Ausspruch des *Talmud die *Schechina, die göttliche Präsenz (Schabbat 30b).
Was nun nach jüdischer Auffassung unter echter Freude zu verstehen ist, kann anhand der für das Sukkotfest charakteristischen Gebote aufgezeigt werden.

Die Sukka oder das Paradox der Unzulänglichkeit
Das zentrale Gebot des Sukkotfestes ist das Wohnen, das Leben in der Sukka. Die beiden für das menschliche Leben wohl unersetzlichsten Tätigkeiten - Essen und Schlafen - sollen, falls nur irgend möglich (wenn es das Wetter zulässt), in der Sukka stattfinden (*Schulchan Aruch).
Gleich am Ausgang des *Jom Kippur fängt man an die Sukka zu bauen. In Gärten, auf nicht überdachten Terassen, auf hauseigenen Parkplätzen - überall, wo religiöse Juden wohnen, werden Hütten gezimmert. Denn in nur vier Tagen muss die Sukka stehen.
Die Sukka verdankt ihren Namen dem “Sechach”, ihrem Dach. Das Sukkadach ist somit das konstituierende Element der Sukka und ihm widmet das jüdische *Religionsgesetz auch die größte Aufmerksamkeit. Das Erstaunliche, ja Paradoxe an diesem Dach ist, dass es gerade die Hauptfunktion eines Daches - den Schutz vor den Naturelementen - nicht ganz erfüllen darf. Die Sukka muss unter freiem Himmel stehen. Ihr Dach, der “Sechach”, soll aus Ästen, Zweigen, Laub - daher bei Luther “Laubhüttenfest” - und sonstigen unbearbeiteten Gewächsprodukten bestehen. Es soll einerseits zwar so dicht sein, dass unter ihm mehr Schatten als Sonne ist, andererseits aber regendurchlässig sein. Regnet es dann während des Sukkotfestes tatsächlich, ist man von der Verpflichtung, in der Sukka zu essen und zu schlafen, befreit. Die *Mischna veranschaulicht diesen Fall am Beispiel eines die Festmahlzeit einleitenden *Kidusch, der buchstäblich “ins Wasser fällt” und daher nicht in der Sukka stattfinden kann: “Womit lässt sich dies vergleichen? Mit einem Diener, der sich anschickt, seinem Herren ein Glas Wein einzuschenken, als dieser ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht kippt” (Sukka 2,9). Wir werden hier mit der paradoxen Tatsache konfrontiert, dass das jüdische Religionsgesetz (die Halacha) durch die vorgeschriebene Unvollkommenheit des Sukkadaches einem Zustand Tür und Tor öffnet, in dem das von ihm selbst proklamierte Gebot der Sukka nicht erfüllt werden kann. Die Unzulänglichkeit, der provisorische Charakter, der nur teilweise Schutz vor den Naturelementen gehören mithin zum Wesenscharakter der Sukka.
Die Sukka versinnbildlicht somit sehr anschaulich die Unvollkommenheit und den inherent “fragmentarischen Charakter” (Isaak *Breuer) unseres Daseins und sie führt uns die Unzulänglichkeit aller Vorrichtungen vor Augen, die wir zu dessen Erhaltung treffen. In ihr manifestiert sich das Bewusstsein der aus dem menschlichen Leben nicht wegzumeditierenden existenziellen Bedürftigkeit, die dem Judentum nicht etwa einen Anlass zur Weltabgewandheit gibt, sondern als die unverzichtbare Bedingung zur Erlangung von Gottesnähe gilt (*Chafez Chaim, Einleitung zur Mischna Berura).
Keine Generation des jüdischen Volkes war nach jüdischer Tradition Gott näher als jene der Wüste: “Ich gedenke dir deine jugendliche Huld, deine bräutliche Liebe, wie du Mir folgtest durch die Wüste, durch unbesätes Land" (Jeremia 2,2). Diese "bedürftigste" aller Generationen konnte aus eigener Kraft nicht einmal für die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse sorgen, denn die jahrzehntelange Sicherstellung des Lebensunterhalts eines ganzen Volkes in der Wüste war unter natürlichen Umständen nicht zu bewerkstelligen. Sie war daher offensichtlicher als alle anderen auf Gottes Beistand angewiesen. Und gerade diese durch und durch beürftige Generation wird nach jüdischer Überlieferung - trotz so mancher Sünde und Verfehlung, die es auf sich lud - mit dem Ehrennamen “das Geschlecht des Wissens” (“Dor Dea”) bedacht (*Midrasch Wajikra Rabba 9,9). Gerade das sich den Juden bei der Wüstenwanderung so unabweisbar manifestierende Ausgeliefertsein schuf die Basis für eine Gottesnähe, die sich 40 Jahre lang im Alltag eines ganzes Volkes bemerkbar machte: angefangen vom nährenden *Man, dem Himmelsbrot, bis hin zu den “Wolken der göttlichen Präsenz” (*Talmud Sukka 11b), die den aus Ägypten ausziehenden Juden nicht nur den Weg wiesen, sondern diese auch vor der gleißenden Wüstensonne schützten. Und genau das soll sich der sich den Naturelementen jedes Jahr immer wieder neu aussetzende Jude am Fest der Hütten vergegenwärtigen, wenn er sich anschickt, das Gebot des Wohnens in der Sukka zu erfüllen: “... damit eure Nachkommen wissen sollen, dass Ich die Kinder Israel in Hütten wohnen ließ, als ich sie aus dem Lande Ägypten herausführte” (Lev. 23,43). An Sukkot wird dies alles nicht nur gedacht, sondern gelebt. Die Einsicht in die existenzielle menschliche Bedürftigkeit gilt dem Juden somit nicht etwa als ein Grund zum Streben nach innerer Teilnahmslosikeit, sondern wird ihm zum mächtigen Hebel zur Erlangung von Gottesnähe. Dies lässt sich anhand eines von der Bibel selbst benutzten Vergleichs zwischen dem Land Israel und Ägypten veranschaulichen. Nach biblischer Auffassung erfreut sich das Land Israel gerade deswegen einer großen Gottesnähe, weil es auf den direkt von Gott gespendeten Regen (Ta'anit 2a) angewiesen ist und nicht etwa, wie das vom Nil bewässerte Ägypten, in landwirtschaftlicher Hinsicht regenunabhängig ist (Dt. 11,10-12). Dasselbe trifft nun auch für den Menschen zu. Ihm wird gerade dann Gottesnähe zuteil, wenn er den Schutz seines Hauses verlässt und sich somit noch offensichtlicher von des Himmels Gnaden abhängig erlebt als sonst.
Nur dieser Gottesnähe wiederum kann aber wirkliche Freude, die vom Psalmisten besungene “Freudenfülle” entspringen, die es nur “vor Deinem (Gottes) Angesicht” (Psalmen 16,11) gibt: “Wer keinen Gott hat, dem kann die Welt viele Freuden bieten, aber keine Freude” (Carlebach 1934). Somit ist der Bogen gespannt von der Sukka über die aus dem Bewusstsein der menschlichen Unzulänglichkeit heraus gewonnene Gottesnähe bis hin zur Freude "im Angesicht Gottes”".

Die "Vier Arten"
Das zentrale Gebot des Sukkotfestes ist das Wohnen, das Leben in der Sukka. Die beiden für das menschliche Leben wohl unersetzlichsten Tätigkeiten - Essen und Schlafen - sollen, falls nur irgend möglich (wenn es das Wetter zulässt), in der Sukka stattfinden (*Schulchan Aruch).
Gleich am Ausgang des *Jom Kippur fängt man an die Sukka zu bauen. In Gärten, auf nicht überdachten Terassen, auf hauseigenen Parkplätzen - überall, wo religiöse Juden wohnen, werden Hütten gezimmert. Denn in nur vier Tagen muss die Sukka stehen.
Die Sukka verdankt ihren Namen dem “Sechach”, ihrem Dach. Das Sukkadach ist somit das konstituierende Element der Sukka und ihm widmet das jüdische *Religionsgesetz auch die größte Aufmerksamkeit. Das Erstaunliche, ja Paradoxe an diesem Dach ist, dass es gerade die Hauptfunktion eines Daches - den Schutz vor den Naturelementen - nicht ganz erfüllen darf. Die Sukka muss unter freiem Himmel stehen. Ihr Dach, der “Sechach”, soll aus Ästen, Zweigen, Laub - daher bei Luther “Laubhüttenfest” - und sonstigen unbearbeiteten Gewächsprodukten bestehen. Es soll einerseits zwar so dicht sein, dass unter ihm mehr Schatten als Sonne ist, andererseits aber regendurchlässig sein. Regnet es dann während des Sukkotfestes tatsächlich, ist man von der Verpflichtung, in der Sukka zu essen und zu schlafen, befreit. Die *Mischna veranschaulicht diesen Fall am Beispiel eines die Festmahlzeit einleitenden *Kidusch, der buchstäblich “ins Wasser fällt” und daher nicht in der Sukka stattfinden kann: “Womit lässt sich dies vergleichen? Mit einem Diener, der sich anschickt, seinem Herren ein Glas Wein einzuschenken, als dieser ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht kippt” (Sukka 2,9). Wir werden hier mit der paradoxen Tatsache konfrontiert, dass das jüdische Religionsgesetz (die Halacha) durch die vorgeschriebene Unvollkommenheit des Sukkadaches einem Zustand Tür und Tor öffnet, in dem das von ihm selbst proklamierte Gebot der Sukka nicht erfüllt werden kann. Die Unzulänglichkeit, der provisorische Charakter, der nur teilweise Schutz vor den Naturelementen gehören mithin zum Wesenscharakter der Sukka.
Die Sukka versinnbildlicht somit sehr anschaulich die Unvollkommenheit und den inherent “fragmentarischen Charakter” (Isaak *Breuer) unseres Daseins und sie führt uns die Unzulänglichkeit aller Vorrichtungen vor Augen, die wir zu dessen Erhaltung treffen. In ihr manifestiert sich das Bewusstsein der aus dem menschlichen Leben nicht wegzumeditierenden existenziellen Bedürftigkeit, die dem Judentum nicht etwa einen Anlass zur Weltabgewandheit gibt, sondern als die unverzichtbare Bedingung zur Erlangung von Gottesnähe gilt (*Chafez Chaim, Einleitung zur Mischna Berura).
Und so nehmt euch am ersten Tag Frucht vom Hadar-Baum, Palmzweige und einen Myrthenzweig und Bachweiden und ihr sollt euch freuen vor dem Ewigen, eurem Gott, sieben Tage” (Lev. 23,40). Dieser Vers wird vom jüdischen *Religionsgesetz als ein weiteres Gebot des Sukkotfestes rezipiert (*Schulchan Aruch, Orach Chajim 652,1). Die in ihm erwähnten “vier Arten” enthalten neben drei allgemein bekannten Gewächsarten - Palm- und Myrthenzweige sowie Bachweiden - eine sog. “Frucht vom Hadar-Baum”. Die letztere wird von der *mündlichen Tradition als eine genau bestimmbare zitronenähnliche Zitrusfrucht identifiziert: der “Etrog” (Sukka 35a). Die “vier Arten” werden bereits vor dem Sukkotfest erworben, damit sie an Sukkot bereit sind. Jede von ihnen hat bestimmte *religionsgesetzliche Anforderungen zu erfüllen, damit sie *koscher ist und somit die Erfüllung des Gebotes ermöglicht. Man bemüht sich oft, besonders “schmucke” vier Arten zu erstehen, auch dies ein Zeichen der für dieses Fest so bezeichnenden Freude. Denn durch das Hinausgehen über die Anforderungen des Religionsgesetzes unterscheidet sich gerade das freudige Erfüllen eines Gebotes von einer bloß pflichtgemäßen Gebotserfüllung.
Die drei Pflanzenarten werden zu einem Feststrauß zusammengebunden. Mit ihm und dem Etrog “bewaffnet”, schreitet der Jude während des Sukkotfestes jeden Morgen in die Synagoge, um dort den Feststrauß während ausgewählter Gebetspassagen mit dem Etrog zusammenzuführen und in alle Himmelsrichtungen zu schwenken. Dieser Gebotshandlung schreibt insbesondere die *Kabbala schicksalsbestimmende, ja kosmische Bedeutung zu. Auch der *Midrasch hat sich ihrer angenommen und ihren Sinn eher volkstümlich-psychologisch zu ergründen gesucht. In einer Serie aufeinander folgender Sinnbilder lässt er verschiedene Assoziationsreihen an uns vorbeiziehen, mit denen die Bedeutung der vier Arten erfasst werden soll. Die bekannteste von ihnen ist die Bezugnahme auf Geschmack und Geruch.
Der Geschmack, als das Innere einer Frucht oder eines Gewächses, steht stellvertretend für die Toragelehrsamkeit, der Duft, der sich nach außen bemerkbar macht, bezeichnet die guten Taten. Seine Toragelehrsamkeit bewahrt ein Mensch in seinem Inneren auf. Sie soll zwar unbedingt auch Einfluss auf seinen äußeren, d.h. gesellschaftlichen Wandel haben, es ist aber dennoch nicht immer der Fall. Es fehlt dann der Duft, der auch nach außen dringt, die guten Taten des Menschen also, die - im Gegensatz etwa zur nach innen gekehrten Gelehrsamkeit - auch von der Umwelt positiv zur Kenntnis genommen werden. Nun können die “vier Arten” nach Geschmack und Geruch eingeteilt werden. Da ist zunächst der Etrog. Dieser schmeckt gut und duftet auch. Er steht daher für den idealen Juden, der über große Toragelehrsamkeit verfügt und darüber hinaus auch viel Gutes tut. Der Zweig der Dattelpalme weist auf die Dattel hin. Diese schmeckt ausgezeichnet, duftet aber nicht: sie bezeichnet einen Juden, der sich eine große Toragelehrsamkeit angeeignet hat, sich dabei jedoch nicht durch besonders gute Taten auszeichnet. Die Myrthe wiederum riecht gut, schmeckt aber nicht. Das sind Menschen, die zahlreiche gute Taten vollbringen, dagegen aber nur über eine sehr dürftige Kenntnis der Tora verfügen. Die Bachweide schließlich gibt ein ganz trauriges Bild ab: sie schmeckt weder noch duftet sie. Das sind Juden, die weder Tora lernen noch gute Taten vollbringen. Das Zusammenhalten dieser “vier Arten” stellt nach der Aussage dieses Midrasch die Einheit des jüdischen Volkes als einen Wert an sich dar. Ihre unbedingte Wahrung wird dort geradezu als eine “Erhebung Gottes” bezeichnet (Wajikra Raba 30,12). Die Botschaft der “vier Arten” wäre demnach dahin gehend, dass es die Einheit des Volkes auch dann zu wahren gilt, wenn die menschliche Urteilskraft allein u.U. geneigt wäre, Teile des Volkes (etwa die "Bachweiden") auszugrenzen.
Zahlreiche volkstümliche Erzählungen ranken sich um die enormen Anstrengugen, die in jüdischen Gemeinden in von Palmen und Zitrusfrüchten nicht gerade gesegneten Ländern wie Polen oder Russland vor Sukkot oft unternommen wurden, um in den Besitz *koscherer "vier Arten" zu gelangen.
 
Das Fest des Einsammelns
Das "Fest des Einsammelns" ("Chag Ha'assif") wird Sukkot in der Schrift genannt (Ex. 34,22). Mit der in den Wochen und Monaten zuvor stattfindenden Obst- und Weinlese bezeichnet es den faktischen Abschluss des Erntejahres.
Der allen alten Kulturen gemeinsame hohe Stellenwert der Landwirtschaft kommt in der hebräischen Sprache sehr stark zur Geltung. Dies äußert sich darin, dass es auf Hebräisch keinen Oberbegriff “Ernte” gibt, sondern dass jede Ernte - Getreide, Wein, Oliven, Obst u.a.m. - einen eigenen Namen hat, ähnlich etwa der Weinlese im Deutschen, die eben auch nicht Ernte sondern Lese heißt.
Die Verbindung der landwirtschaftlichen Relevanz der drei in verschiedene Jahreszeiten fallenden Wallfahrtsfeste mit ihrer geschichtlich-geistigen Bedeutung ist für die jüdische Religion sehr bezeichnend. Der sich im landwirtschaftlichen Jahr manifestierende Wechsel und dessen Regelmäßigkeit gelten dem Judentum als Hinweis auf Gottes Führung der Welt. Die Landwirtschaft wird somit in den Dienst des Glaubens gestellt. Sie stellt eine Art natürlichen Glauben dar, denn nur ein zutiefst “gläubiger” Landwirt ist fähig, unscheinbare Körner auf die Erde zu werfen in der festen Überzeugung, dass diese derbald ein Vielfaches hervorbringen werden (*Jerusalemer Talmud*, Traktat Schabbat).
Bei Abschluss des Erntejahres wird aus dem Glauben indes Gewissheit. Diese Gewissheit ist es, die auch die geistige Bedeutung des Sukkotfestes ausmacht. Die “Generation des Wissens”, die aus Ägypten in die Wüste zog, bezog ihre Einzigartigkeit daher, dass die unmittelbare, Gewissheit vermGotteserfahrung nicht nur einigen Wenigen, sondern einem ganzen Volk zuteil wurde: “Die einfache Magd sah damals Dinge, die später nicht einmal Hesekiel und Jesaja zu Gesicht bekamen” (Midrasch Jalkut Schimoni 244). Das Wissen um Gottes Führung der Welt, das dem Landwirt beim Einholen seiner Ernte indirekt, der Wüstengeneration direkt zuteil wurde, stellt somit das verbindende Glied zwischen der landwirtschaftlichen und der geistigen Bedeutung dieses Festes dar.

Das Fest des Wassers
Sukkot ist auch das Fest des Wassers. An ihm wird nach talmudischer Tradition Gottes endgültiger Richtspruch über die von Ihm dem Land Israel für das nächste Jahr zugemessene lebensspendende Regenmenge gefällt (*Mischna Rosch Haschana 1,2). Zu Tempelzeiten wurde während der sieben Feiertage zusätzlich zu dem täglichen *Tamid-Opfer und seinen begleitenden Veranstaltungen ein sog. “Wassergussopfer” (“Nissuch Hamajim”) am Altar veranstaltet (Mischna Sukka 4,9) und am letzten Tag des Festes spricht man ein sog. Regengebet, mit dem die Regenperiode begrüßt wird. Von nun an wird der Regen, der in den Sommermonaten aus dem Gebet ausgeklammert wurde, wieder ins täglichen Gebet einbezogen (*Talmud Ta'anit 2a-b). Ein Auszug aus dem Regengebet (“Tefilat Hageschem”), das auf biblische Motive, in denen Wasser eine Rolle spielte, Bezug nimmt, veranschaulicht die dem Wasser darin zugesprochenen wunderbaren Eigenschaften:
"Gedenke des im Schilfkästchen aus dem Wasser Gezogenen (Moses),

den man bat Wasser zu schöpfen und der die Herde tränkte,

und als Deine Erwählten (Israel) nach Wasser dursteten,

schlug er auf den Felsen, da kam Wasser heraus,

um seines Verdienstes willen beschere Wasserfülle.

...

Gedenke der zwölf Stämme, für die Du das Wasser teiltest (beim Auszug aus Ägypten),

und denen Du bitteres Wasser (in der Wüste) süß werden ließest,

Generationen lang vergossen sie Deinetwillen ihr Blut wie Wasser,

wende Dich uns zu, denn wir sind vom Wasser eingeschlossen,

um deren Verdienste willen beschere uns Wasserfülle.

Denn Du bist der Ewige, unser Gott, der den Wind wehen lässt und den Regen niederbringt.

Zum Segen und nicht zum Fluch,

zum Leben und nicht zum Tode,

zur Sattheit und nicht zur Kargheit."

Ihren Höhepunkt erreichten die “Wasserfeierlichkeiten” mit der am zweiten Tag des Sukkotfestes veranstalteten Zeremonie der “Freude des Wasserschöpfens” (“Simchat Bet Haschoewa”), während der man das Signal zum Aufbruch zum Schiloach-Brunnen gab, wo das für das Wassergussopfer benötigte Wasser geschöpft wurde. Auf diese Zeremonie Bezug nehmend, stellt die *Mischna fest: “Wer die Freude des Wasserschöpfens nicht miterlebt hat, hat zeitlebens keine (wirkliche) Freude erlebt” (Sukka 5,1) - womit wir wieder beim zentralen Motto des Sukkotfestes angelangt wären: der Freude. Und so wird diese Zeremonie in den jüdischen Quellen beschrieben:

"Am Ausgang des ersten Sukkotfeiertages ging man in den Frauenvorhof (den größten Vorplatz des Tempels) hinab ... Dort waren goldene Leuchter mit je vier goldenen Schalen am oberen Ende und vier Leitern vor jedem Leuchter und vier junge Priesterzöglinge mit Ölkrügen mit (insgesamt) einhundertundzwanzig Log (ca. 42 Liter) Öl, die dann in die Schalen gegossen wurden. Aus den abgetragenen Priestergewändern wurden Dochte gedreht und angezündet. Es war kein Hof in Jerusalem, der vom Licht des Bet Haschoewa nicht erhellt war. Die Frommen und die Männer der Tat tanzten und sangen mit brennenden Fackeln in der Hand. Leviten spielten die Harfe, die Leier, die Zimbel, die Trompete und andere Musikinstrumente ... Es heißt über Rabbi Schimon ben Gamliel, daß er bei der Simchat Bet Haschoewa in seiner Freude mit acht Feuerfackeln jonglierte, ohne dass die eine die andere berührte" (Sukka 51a-53a).


Der 8. Tag
Sukkot gilt als der universalste Feiertag des Judentums. Insgesamt siebzig Stiere wurden zur Zeit des Tempels im Verlaufe der Sukkotfestwoche geopfert (Num. 29,12-34), nach jüdischer Tradition stellvertretend für die “siebzig Nationen der Erde”, die typologisch die ganze Menschheit repräsentieren. So nimmt Sukkot eine Zeit vorweg, in der sich das Volk Israel nicht mehr fremd fühlen wird unter den anderen Völkern der Erde - die messianische Zeit: “Und es wird kommen, dass alle Verbliebenen all der Völker, die gegen Jerusalem zogen, dann alljährlich hochziehen werden, um dem König, dem Herrn der Heerscharen zu huldigen und das Fest der Hütten zu feiern. Und wer nicht hochziehen wird nach Jerusalem von den Geschlechtern der Erde, um dem König, dem Herrn der Heerscharen zu huldigen, über denen wird es nicht regnen ... Es wird Ägypten und allen anderen Völkern als Vergehen gelten, wenn sie nicht hochziehen, um das Fest der Hütten zu feiern” (Secharja 14,16-19). Die betont universale Botschaft des Sukkotfestes hat jedoch einen partikularen Schlussakkord: Schemini Azeret, den auf die sieben Sukkottage folgenden achten Feiertag. An ihm wird als Zusatzopfer - im Kontrast zu den siebzig Opferstieren des Sukkotfestes - ein einziger Stier geopfert, wozu der Talmud folgendes zu erläutern weiß:
"Die siebzig Stiere wurden für die siebzig Nationen der Erde geopfert, der eine Stier für die eine Nation (Israel). Dies lässt sich mit einem König aus Fleisch und Blut vergleichen, der seine Knechte bat, ihm zu Ehren ein großes Festessen zu veranstalten (das 7-tägige Sukkotfest). Am Ende sagte er zu seinem Lieblingsknecht: Lass uns beide noch ein kleines, intimes Fest feiern, damit ich mit dir noch verweilen kann. Rabbi Jochanan sagte: Wehe den Nationen, die zerstörten und nicht merkten, was sie da eigentlich zerstörten (Anspielung auf die Zerstörung des Jerusalemer *Tempels durch die Römer). Als der Tempelaltar noch stand, so wurden Sühneopfer für sie dargebracht. Wie aber sollen sie jetzt der Sühne teilhaftig werden?" (Sukka 55b)
Die Partikularität Israels, die Besonderheit des jüdischen Volkes, wird mithin zu keinem Zeitpunkt aufgehoben, sie wird jedoch ins rechte Licht gerückt: als eine im Dienste der Gesamtmenschheit stehende “Nation von Priestern” (Ex. 19,6) hat sich das jüdische Volk innerhalb der Völker zu bewähren. Die Spannung zwischen Universalismus und Partikularismus soll nicht zugunsten eines dieser beiden Polen aufgehoben werden, sondern vielmehr die Dynamik schaffen, die zur Erlösung der ganzen Menschheit führt.

Simchat Tora - das Fest der Torafreude
Seit dem achten Jahrhundert etwa hat sich allmählich in der gesamten jüdischen Welt der Brauch eingebürgert, den letzten Tag des Sukkotfestes, Schemini Azeret, auch als “Simchat Tora”, als das Fest der Torafreude zu begehen. In der Diaspora, wo Schemini Azeret zwei Tage lang begangen wird (zum zweiten Festtag der Diaspora siehe unsere Erklärung am Schluss von Jüdische Feste/Festtagsbestimmungen) wird Simchat Tora am zweiten Feiertag gefeiert, wodurch die beiden Feiertage einen voneinander unterschiedlichen Charakter erhalten. Im Lande Israel fällt Simchat Tora mit Schemini Azeret zusammen.
Das Fest der Torafreude bezeichnet den Abschluss des einjährigen Lesezyklus der Tora, der an diesem Fest alljährlich erneuert wird. Die Tora wird nämlich in eine der maximalen Anzahl der Jahreswochen entsprechende Zahl von Wochenabschnitten eingeteilt (die kann nach dem *hebräischen Kalender, nach dem ein Jahr mitunter 13 Monate hat, bis 54 betragen). So wird sie bei der im Rahmen des Gemeinschaftsgebets an jedem *Schabbat stattfindenden öffentlichen *Toralesung in der Synagoge innerhalb eines Jahres durchgelesen. An Simchat Tora wird dieser Lesezyklus mit dem letzten Abschnitt des Buches Deuteronomium (5. Buch Moses) abgeschlossen und sogleich wieder neu mit Genesis (1. Buch Moses) 1,1 eröffnet: “Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde ...."
Die Tatsache, dass das Fest der Torafreude erst so spät in Erscheinung trat, hängt damit zusammen, dass sich der einjährige Lesezyklus der Tora, dessen Abschluss und Wiederaufnahme ja Anlass dieses Festes bilden, ebenfalls erst zu jener Zeit allgemein durchgesetzt hat. Noch zur talmudischen Zeit gab es nach jüdischer Überlieferung im Lande Israel einen dreijährigen Lesezyklus, womit zu einem alljährlich wiederkehrendem Fest anlässlich seiner Erneuerung kein Anlass bestand. Später hasich dann der zunächst in Babylon übliche einjährige Lesezyklus allgemein durchgesetzt.
Simchat Tora hat einen Volksfestcharakter und wird mit oft stundenlangem Tanzen der ganzen Gemeinde in der Synagoge gefeiert. Eine anschauliche Beschreibung von Simchat Tora finden wir in einem Buch, das die Atmosphäre eines der letzten im Deutschland der NS-Zeit gefeierten Simchat Tora Feste wiedergibt:
"Im Oktober 1938, also unmittelbar vor der 'Kristallnacht' des 9. November 1938, wurde Simchat-Tora, das letzte Fest in der Bornschul, wie in allen noch bestehenden Synagogen Deutschlands gefeiert. Es ist das Freudenfest über die Tora, die Fünf Bücher Moses, das jährlich im Herbst begangen wird; nämlich dann, wenn ein Jahreszyklus der wöchentlichen Tora-Vorlesungen beendet ist und man an Ort und Stelle einen neuen Lese- und Lernzyklus beginnt, um den wöchentlichen Abschnitt aus der Heiligen Lehre zu lesen.
Es war das Fest der Kinder, der Jungen wie der Mädchen. Alle gingen in die Männerschul. Die Kinder hatten bunte Fahnen; sie wurden mit Süßigkeiten überschüttet, damit sie die Assoziation zwischen dem süßen Geschmack und der Heiligen Lehre empfänden. Der goldbestickte Vorhang wurde zurückgezogen, die Heilige Lade geöffnet und alle Tora-Rollen wurden herausgehoben. Sie waren geschmückt mit bestickten Samtmäntelchen, mit silbernen Schildern und mit wunderschönen Kronen, an denen kleine Glöckchen hingen; diese Glöckchen klingelten in vielen harmonischen, sanften und feinen Tönen. Die Schul war hell erleuchtet und die Männer in ihren weißen Gebetmänteln sangen und tanzten mit den Tora-Rollen auf dem Arm und mit den Kindern, die ihre bunten Fähnchen schwenkten. Allen voran Oberrabbiner Carlebach, der Ausschau hielt, ob nicht etwa ein Kind übersehen wurde, das keine Fahne hatte, keine Süßigkeiten bekam und sich nicht in den Reigen wagte. Dann holte er es aus seiner Ecke und hob es hoch, und es tanzte und sang und klatschte in die Hände mit allen zusammen.
Dann kam der schönste Augenblick: All die kleinen Knaben, zwanzig oder dreißig an der Zahl, etwa drei- bis fünfjährig, kletterten die Stufen zum Almemor hinauf. dort lag auf einer roten Samtdecke die offene Tora-Rolle. Der Vorleser zeigte den Kindern mit einem silbernen Zeiger, wo in der Tora gelesen wurde. Dann breitete man einen weiten Gebetmantel über die Kinderschar, und mit Hilfe des Vorbeters sagten sie: “Wir segnen Dich, G'tt, dass Du uns Deine Tora gegeben hast” und die ganze Gemeinde antwortete ihnen mit einem widerhallenden 'Amen'. Es war ein unvergesslicher Anblick, und die Kinderstimmen klingen noch heute in mir nach wie Engelmusik" (Miriam Gillis-Carlebach, Jedes Kind ist mein Einziges, 1992).
Der sich immer wiederholende Zyklus der Toralesung, der mit voller Absicht an dessen Abschluss unverzüglich angehängte Wiederanfang, gibt anschaulich die jüdische Auffassung der Tora wieder. Die vom Schöpfer gegebene Lehre, die auf uns in der Form von Buchstaben, Worten, Geschichten, Anweisungen und Geboten niederkam, ist ebenso unendlich und unerschöpflich wie das von demselben Schöpfer geschaffene All. Kind und Greis, Mann und Frau, der Gelehrte und der Ungebildete, sie alle lesen dasselbe Buch und können, jeder auf seiner Ebene, zu dessen Verständnis gelangen. Die Worte der Tora sind wie die Splitter eines “vom Hammer zertrümmerten Felsens” (Jeremia 23,29), alle vom gleichen Stein und doch alle verschieden (Sanhedrin 34a). Die Tora präsentiert sich mithin einem jeden von einer anderen Seite, ohne sich dabei zu widersprechen: “Siebzig Aspekte hat die Tora” (Bamidbar Rabba 13). Die Tora kann man nie “zu Ende lesen”. Immer wieder entdeckt man darin Neues, dringt in neue Tiefen ein: “Wende sie hin und wende sie her, denn sie enthält alles, blicke tief hinein in sie, werde grau und alt an ihr und weiche nicht von ihr, denn es gibt kein besseres Maß als sie” (*Mischna Pirke Awot 5,25). Das ist das Bewusstsein, in dem das Fest der Torafreude begangen werden will.
Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן