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Judentum

Wahrheit und Wirklichkeit


Wahrheit
Es wird vom Menschen gefordert, nach W. zu streben: "Ewiger, wer darf in deinen Zelten weilen?", fragt der Psalmist, um sogleich selbst die Antwort zu liefern: "wer Wahrheit redet in seinem Herzen" (Ps. 15,1-2). Wahrhaftigkeit bringt den Menschen mithin in Gottesnähe.
Manchmal begegnen wir in jüdischen Quellen der W. auch als einem Synonym für "Echtheit" bzw. "Ehrlichkeit". So gilt, im Anschluss an eine Schriftstelle (Gen. 47,29, wo das hebräische "Emet" aus Gründen der Übersetzbarkeit oft ungenau mit "Treue" wiedergegeben wird), als eine "wahre Liebestat" gerade eine solche, die man einem Verstorbenen erweist, dessen Wunsch man erfüllt. Denn nur in diesem Fall ist verbürgt, dass diese Liebestat reinen Motiven entspringt - und somit wahr ist - und nicht etwa dem geheimen Hoffen auf eine etwaige zukünftige Gegenleistung (Midrasch Bereschit Raba).
Besonders gut lässt sich W. durch die Gegenüberstellung zu ihrem Gegensatz, der Lüge, darstellen. "Halte dich von der Lüge fern", heißt es in Ex. 23,7. Der erste bedeutende jüdische Religionsphilosoph des Mittelalters, Raw Saadja Gaon (Fajum 882-942 Sura), begründet dieses Verbot mit einer feinen psychologischen Beobachtung: "Es ist verboten zu lügen, denn wenn die Seele etwas weiß, darüber aber anders redet, so wird sie sich selbst fremd".
Dabei soll hervorgehoben werden, dass W. nach jüdischer Auffassung zwar ein hoher, nicht aber in allen Fällen der höchste Wert ist. Schalom, der Frieden, steht über ihr. Dies kommt in einem talmudischen Grundsatz zum Ausdruck, nach dem man um des Friedens willen mitunter auch die Unwahrheit sagen darf und notfalls auch soll. Einen Beleg dafür sieht der Talmud in Gen. 18,13. Dort spricht Gott zu Abraham: "Warum hat Sara denn gelacht als sie sprach: 'Sollte ich etwa noch gebären, wo ich doch schon alt bin!?'", während Sara soeben nicht sich, sondern ihren Mann als dafür zu alt bezeichnete. Hier nahm nach jüdischer Tradition gewissermaßen Gott selbst zur Unwahrheit "Zuflucht", um den häuslichen Frieden nicht zu gefährden (Jewamot 65b).

Wirklichkeit
Das Wort W. hat im biblischen und talmudischen Hebräisch keine eigentliche Entsprechung. Als hebräischer Begriff ("Mezi'ut", wörtlich etwa "Befindlichkeit") taucht es im Sinne von "Dasein", "Existenz" wohl erst in der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters auf - so bei *Maimonides (Cordoba 1135-1204 Fostat), Nachmanides (Gerona 1195-1270 Akko) und Gersonides (Bagnols 1288-1344 Avignon). Es erfüllt dort ganz offensichtlich die Funktion, im Anschluss an die islamische Religionsphilosophie die Existenz Gottes und Seiner Geschöpfe auch jüdischerseits zum Gegenstand philosophischer Betrachtung zu machen.
Fäkultat für Jüdische Studien הפקולטה למדעי היהדות Bar Ilan Universität, Ramat Gan, Israel אוניברסיטת בר אילן